Herbstlaub

Die wunderschöne herbstliche Färbung unserer heimischen Laubwälder bedeutet für den
Baum eine Zeit höchster chemischer Aktivität. Gesteuert von
Tageslänge, Temperatur und pflanzlichen Hormonen bereitet sich der
Laubbaum auf den Winter vor. Der grüne Blattfarbstoff wird abgebaut
und übrig bleiben, jetzt für uns sichtbar, rote und gelbe
Farbstoffe.

Das Blattgrün oder Chlorophyll befindet sich in den Chloroplasten genannten Strukturen
der Zellen aller grünen Pflanzenteile und ist die
„Nahrungsbeschaffungszentrale“ der Pflanze. Hier werden aus der
Lichtenergie der Sonne, Kohlendioxid und Wasser Kohlenhydrate zum
Aufbau von Blättern, Holz, Wurzeln und anderen Baumbestandteilen
hergestellt und als „Abfallprodukt“ Sauerstoff an die Außenluft
abgegeben.

Chlorophyll ist ein komplexes Molekül, das unter anderem aus Phosphor, Eisen, Kalium und
Stickstoff besteht. Diese Bestandteile, besonders der Stickstoff,
sind für den Baum zu wertvoll, um sie beim Laubfall zu opfern. Das
Chlorophyll wird abgebaut und seine Bestandteile für eine spätere
Verwendung in Rinde, Wurzeln oder Holz gelagert.

Carotinoide (gelb/orange), Xanthophylle (gelb) und Anthocyane (rot/violett/bläulich), die als
Nebenprodukt beim herbstlichen Umbau im Blatt neu entstehen, sind
weniger wichtig und dürfen zu Boden fallen.

Bevor das Blatt zu Boden fallen kann, bildet der Baum an der Ansatzstelle zwischen Zweig und Blattstiel ein Trenngewebe aus Kork, eine Sollbruchstelle, die auch die kleine Verletzung, die beim Blattfall entstehen würde, verhindert.

Buchen, Eichen und Hainbuchen bilden „Thyllen“,
Zellwucherungen, die in die Nährstoffbahnen hinein wuchern und diese
verstopfen. Blieben diese offen, hätte eine große Buche durch den
Blattabwurf über 500.000 kleine Wunden, in die Bakterien, Pilzsporen
oder Krankheitserreger eindringen könnten.

Der Abwurf der Blätter ist für den Laubbaum in vieler Hinsicht sinnvoll.

Er entledigt sich der Blätter, die durch ihren Wassergehalt bei Frost geschädigt würden, entzieht ihnen vorher wertvolle Bestandteile und betreibt durch Knospenbildung im Spätsommer/Frühherbst bereits Vorsorge für den Frühling. Er verhindert die sogenannte „Frosttrocknis“, die einträte, wenn der Boden gefroren ist, über die Spaltöffnungen der
Blätter immer noch Wasser verdunstet, aus dem Boden aber kein Wasser
nachgeliefert wird. Der Baum würde vertrocknen.

Er entledigt sich der alten Blätter, in denen Stoffwechsel-Endprodukte und Umweltgifte abgelagert sind, und entfaltet im Frühjahr frische, neue Blätter
ohne Verletzungen und Fraßspuren. Außerdem hält ein Baum ohne Laub
Schneelasten besser stand.

Der herbstliche Laubabwurf ist also einem aktiven Vorgehen des Baumes geschuldet, der Wind reißt die Blätter nicht von den Bäumen, er hat durch die Sollbruchstellen leichtes Spiel. Auch das Eigengewicht der Blätter lässt sie fallen.

Einen besonders schönen Farbverlauf zeigen Roteiche, Ahorn oder
Weinblätter. Werden die Nährstoffbahnen, z.B. durch eine
Miniermade, durchbrochen, entstehen kleine Farbkunstwerke: das
Chlorophyll kann an diesen Stellen nicht abtransportiert werden, sie
bleiben grün.

 

 

 

 

 

 

Auch der komplette Ahornbaum zeigt den herbstlichen Farbverlauf, die Farbe der Blätter wechselt vom Gipfel zum Boden hin gesehen über braun, rötlich und gelb nach grün, in den unteren Blattregionen ist der
Chlorophyllabbau noch im Gange.

 

Immergrüne Pflanzen wie Ilex, Tannen oder Kiefern, schützen sich durch dicke Zellwände und Wachsschichten sowie kleine Oberflächen (Nadelblatt). Auch Nadelbäume wechseln ihr Kleid, werden aber nicht komplett nackt (Ausnahme wäre z.B. die Lärche), sondern verlieren immer mal wieder eine Nadel. Kiefernadeln können fünf Jahre, Tannennadeln sogar bis elf Jahre alt werden.

Und für die herbstliche
Stimmung empfehle ich Rainer Maria Rilke (1875/1926), „Herbsttag“
von 1902. Aus der dritten Strophe: „…Wer jetzt kein Haus hat,
baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben….“

Achten Sie beim nächsten
Waldspaziergang doch einmal auf die Vielfalt der bunten
Blattkunstwerke.

Bis zum nächsten
Naturerlebnis-Tipp

Ihre / Eure Stefanie
Barzen

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